Ökologisches Stromtrassenmanagement als Chance für Schäferei und Naturschutz
Die ökologische Bewirtschaftung von Stromleitungstrassen und Solaranlagen durch extensive Beweidung mit Schafen und Ziegen im Landkreis Zwickau bietet großes Potential für die Entwicklung und Verbesserung des Biotopverbundsystems. Trassen bieten, aufgrund ihres linienhaften und zusammenhängenden Verlaufs, ein ausgezeichnetes Potential zur Entwicklung von Lebensraumkorridoren und Querverbindungen ins Umland. Als halboffene Korridore geplant und mit Sekundärbiotopen gestaltet, können Sie vielerorts einen wertvollen Beitrag leisten. Gleichzeitig resultieren aus der Vermarktung von qualitativ hochwertigen sowie nachhaltigen Produkten positive wirtschaftliche Effekte für Nutztierhalter. Auch Konsumenten profitieren durch die Aufwertung des bis dato noch überschaubaren Angebotes an entsprechenden Lebensmitteln aus der Region.
Naturschutzfachlich ungeeignete und meist kostenintensive Flächenpflegemaßnahmen wie wiederholtes Roden und Mulchen sollen durch Wiederbelebung bzw. -aufwertung der Wanderschäferei dauerhaft abgelöst sowie durch Biotopneuanlagen von Heiden oder der Einrichtung von Trittsteinen für Amphibien und Reptilien ergänzt werden. Auf Grundlage einer Biotopverbundplanung soll ein Beweidungskonzept als Flächenmanagement entwickelt, auf seine Machbarkeit hin untersucht und angewendet werden. Um die Wirkung der Maßnahmen zu evaluieren, wird das Projekt durch ein wissenschaftliches Monitoring auf Zielartenbasis flankiert.
Ein zentraler Baustein in der Umsetzung des Projektes ist zudem die Einbindung zentraler Akteure als Projektpartner. Hierbei handelt es sich um ökologisch wirtschaftende Schäferei- und Landwirtschaftsbetriebe, den Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, die Technische Universität Dresden, den Landkreis Zwickau und den DVL-Landesverband Sachsen gemeinsam mit dem regional verankerten Landschaftspflegeverband Westsachsen e.V., letzterer als koordinierender Projektträger und Träger der Kreisnaturschutzstation im Landkreis Zwickau.
Begleitet wird das Vorhaben zusätzlich durch eine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Maßnahmen der Umweltbildung. Neben den Themen Naturschutz- und Landschaftspflege, Nachhaltigkeit und regionaler Wertschöpfung soll das Projekt ebenfalls einen möglichen Lösungsansatz im Spannungsfeld (Erneuerbare) Energien und Naturschutz aufzeigen und modellhaft kommunizieren.
Analog des Ausbaus einer „Grüner Infrastruktur“ (TEN-G) in der EU ist nicht nur eine kluge Koordination der „Grauen Infrastruktur“ (TEN-T) von Nöten, sondern ebenfalls des Netzausbaus (TEN-E). Das betrifft sowohl Strom- und Erdgas- als auch Kommunikationsnetze und Photovoltaikanlagen. Die Energiewende erfordert einen länderübergreifenden Aus- und Neubau. Insgesamt sind mehrere tausend Kilometer Stromtrassen neu zu planen. Auch das bestehende Netz darf dabei nicht außer Acht gelassen werden. Bereits heute ziehen sich rund 35.000 km Stromleitungen durch Deutschland. Pilotprojekte wie dieses sollen und können dabei Lösungswege aufzeigen, wie man bestehende Versorgungsnetze und den Ausbau erneuerbarer Energien mit Anliegen des Naturschutzes in Einklang bringen kann.
- Das Vorhaben „Schafe unter Strom“ beinhaltet zusammenfassend folgende Zielsetzungen im Bereich von Trassen, Photovoltaikanlagen und Schutzgebieten in der unmittelbaren Umgebung:
- Ermittlung von naturschutzfachlich wertvollem Grünland mit Pflegedefiziten;
- Ermittlung linearer und punktueller Landschaftsstrukturen mit ökologischem Entwicklungspotential für Lebensraumkorridore und Trittsteine
- Aufwertung von Landschaftsbereichen innerhalb der Schutzgebietskulisse von Natura-2000-Gebieten, Naturschutzgebieten, Flächennaturdenkmalen Landschaftsschutzgebieten und Biotopen
- Neuanlage von Heideflächen und Schaffung von Trittsteinbiotopen wie Tümpel, Steinhaufen, oder Wurzelstubben
- Entwicklung abgestufter Waldränder
- Entwicklung eines Weidekonzeptes zur Sicherung ausreichender Weideflächen und Triftwege inkl. Machbarkeitsstudie auf Grundlage einer naturschutzfachlichen Biotopverbundplanung
- Dauerhafte Einrichtung von neuen Weideflächen sowie Erhalt und Stärkung des aktuellen Weideregimes zur Sicherung der Landschaftspflege und der Existenzperspektive
- Entwicklung einer Vermarktungsstrategie sowie Aufbau von Strukturen und Verwertungsmöglichkeiten
- Inwertsetzung des Schäfereiwesens sowie von Naturschutz und Landschaftspflege durch Markenbildung und gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit;
Schaffung von Angeboten im Bereich Umweltbildung und Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) - Aufzeigen der Synergieeffekte zwischen Naturschutz und Energiewirtschaft bzw. Trassenmanagement.
Das Vorhaben erstreckt sich über einen Zeitraum von 2,5 Jahren und umfasst ein Gesamtvolumen von ca. 500.000€. Die Umsetzung erfolgt über die Förderrichtlinie Natürliches Erbe – RL NE/2014, Fördergegenstand C.1 „Zusammenarbeit zum Schutz der biologischen Vielfalt“ finanziert. Zuständig für die Durchführung der ELER-Förderung im Freistaat Sachsen ist das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL), Referat Förderstrategie, ELER-Verwaltungsbehörde.
Ansprechpartnerin für das Projekt
Anika Lemm
Telefon: 03762 75935 13
Hintergrund
Schäferei und Naturschutz – Wertvolle Partnerschaft
Wanderschäfer erbringen als Landschaftspfleger eine zunehmend unterschätzte gesellschaftliche Leistung, welche es wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken gilt. Auf den Sommerweiden leisten Schäfer durch die Pflege selten gewordener Biotope einen unschätzbaren Wert für die Biodiversität oder den Hochwasserschutz. Als Resultat der Offenhaltung der Flächen und den sich entwickelnden kleinräumlichen Strukturmosaiken profitieren viele Insektenarten wie Laufkäfer, Heuschrecken, Bienen oder Schmetterlinge, wiederum wichtige Nahrungsgrundlagen für Vögel, Kleinsäuger und Fledermäuse. Insbesondere der Verbund des stark bedrohten Grünlandes profitiert von der Schaf- und Ziegenbeweidung. Wandernde Tierherden können den Effekt der Fragmentierung isolierter Populationen entgegenwirken, indem sie in hohem Maße als Ausbreitungsvektoren von Diasporen über die Magen-Darm-Passage und das Fell (äußerlich an Fell und Hufen anhängend) dienen. Der Berufsstand der Schäferei ist einer der ältesten und traditionsreichsten und dennoch eine hoch aktuelle Form der Landwirtschaft, der es gelingt Tierwohl, Naturschutz und landwirtschaftliche Produktion weitestgehend miteinander zu verbinden.